+++ „Ich habe einen Traum“ +++ Saisonziel Ötztaler Radmarathon über 238 Kilometer und 5500 Höhenmeter finishen +++ einen der begehrten Startplätze ergattern +++ Vorbereitung erstmals mit professioneller Trainingsplanung +++ über 13.000 Renn- und Trainingskilometer seit November als Vorbereitung +++ Finishertrikot am 28.8.2016 im Ziel in Sölden in Empfang nehmen +++ Am Ziel meiner Träume +++
Was sich in der Kurzfassung relativ einfach liest, bedeutete unzählige Trainingskilometer, Schweiß, Qualen, Schmerzen, Entbehrungen, Höhen und Tiefen. Also der Reihe nach.
Im Winter stand die Frage, welches Saisonziel ich für 2016 wählen würde. Irgendwann stand dann die Entscheidung, dass es der Ötztaler Radmarathon werden sollte. Einer der prestigeträchtigsten
Alpenmarathons für Jedermann-Rennradfahrer/innen. Problem: Die Startplätze werden verlost. Somit war lange Zeit nicht klar, ob es klappt. Und es trainiert sich deutlich schwieriger, ohne konkretes Ziel, auf das man hinarbeiten kann. Aber es halt letztendlich mit einem Startplatz geklappt.
Ebenfalls neue Wege schlug ich mit einer professionellen Trainingsplanung durch Ben Reszel (Resource) ein. Zuvor hatte ich mir meine Pläne immer selbst geschrieben, was schon mal nach hinten losgegangen war. Dieses Jahr war das alles anders und das Training im Großen und Ganzen wesentlich angenehmer (um nicht zu sagen entspannter) als in den Vorjahren. Einzige Frage, die vor allem im Frühjahr stand: Wird es auf den Punkt passen? Aber ich sagte mir, Ben ist Profi und es ist sein Job dafür zu sorgen, dass ich zum Höhenpunkt fit bin. Auch wenn es mich bei den Rennen im Frühjahr schon ab und zu nervte, dass mir die Form fehlte, die ich sonst im Frühjahr gewohnt war. Aber der Ötztaler ist nun mal erst Ende August.
Der Trainingsplan bedeutete auch, auf gemeinsame Runden mit meinem Team KunTaBunt zu verzichten. Auf häufige Fragen „Fährst du mit?“ musste ich oft antworten „Nein, hab was anderes im Plan“, was die anderen und manchmal auch mich selbst, genervt hat.
Das Training war also voll im Gange. Nach dem Rhön-Radmarathon zu Pfingsten reifte in mir der Gedanke, dass eine 10-Stunden-Zeit beim Ötztaler durchaus realistisch sein könnte, wenn im Training nichts dazwischen kommt, beim Ötztaler das Wetter mitspielt und am Renntag nichts unvorhergesehenes dazwischenkommt. Soweit der Weg zum „Beginn des Traumes“.
In den Tagen vor dem Rennen hatte ich mir bereits den Marschplan fürs Rennen überlegt. Wann musst du wie schnell sein ohne zu Überziehen, um die Wunschzeit zu erreichen. Das klebte dann entsprechend auf dem Rad, so dass ich im Rennen immer wieder vergleichen konnte.
Raceday. Der Start sollte um 6:45 Uhr erfolgen. Das bedeutete, dass der Wecker 4:30 Uhr klingelt man sich nach dem Frühstück spätestens gegen 6 Uhr im Startblock einfinden musste, um nicht ganz hinten losfahren zu müssen. So rollten ich mit meinen Teamkollegen vom Team KunTaBunt entsprechend früh durch‘s noch dunkle Sölden zum Start. Mit 12 Grad war es auch noch nicht besonders war, was sich aber im Laufe des Tages noch ändern sollte.
Besonders schlimm, ist immer wieder die ewige Warterei auf den Start. Aber dann ging es endlich los. Die ersten 30 Kilometer geht’s erstmal nur bergab. Bei so vielen Startern ist das oft mit Hektik und Stress verbunden. Höchste Konzentration war gefragt, weil ständig jemand links und rechts und quer durch Feld gepflügt kam. Dann ging es in den ersten Anstieg zum Kühtai (18,5 km, 1200 hm). Erstmal gab es Stau und kurz vor mir kippte der erste einfach so um.
Finde dein Tempo, nicht zu schnell, nicht bummeln. So kurbelte ich mitten im nicht weniger werdenden Pulk aus Fahrern Kilometer um Kilometer hinauf. Nach wenigen Kilometern erblickte ich dann den Helm von Katrin vor mir und schloss langsam zu ihr auf. Es ging weiter hinauf, die Sonne erhob sich langsam über die Berggipfel und im oberen Teil wollten die ersten auf der Straße stehenden Kühe umkurvt werden. Ich wartete da noch immer auf eine Reaktion meiner Beine. Sind sie heute gut, sind die schlecht. Aber irgendwie sagten die mir nichts. Also wertete ich das mal als gutes Zeichen. Dann noch eine kurze Toilettenpause kurz vor der Passhöhe, die Labe oben ignorierte ich und dann ging es in die rasante Abfahrt Richtung Innsbruck. Endlich mal wenig Leute um mich rum und aus dem Gewusel heraus.
Unten im Inntal angekommen lief ich mit einigen anderen auf eine Gruppe auf, die sich im weiteren Verlauf auf ca. 200 Leute summierte. So ging‘s in den Anstieg Richtung Brenner (39 km, 777 hm). Viel zu schnell und viel zu hart, zeigte die Leistungsmessung und meldeten die Beine. Finde dein Tempo, auch wenn du nach vorne reißen lässt. So formierte sich ein 150er-Feld. Ich vor teilweise von vorn mein Tempo. Im weiteren Verlauf sorgten dann andere für angenehmes Tempo. Für mich gerade recht, vielleicht aber etwas zu langsam. Jedenfalls wurde die Gruppe einige Kilometer vor dem Gipfel deutlich größer. Kurz vor dem Brennerpaß würde Uwe, Katrin‘s Mann, mit neuen Flaschen und Gels warten. Dann sah ich ihn und hielt an. Sofort bekam ich neue Flasche und stopfte mir alle Gels, die ich finden konnte in meine Trikottaschen. Währenddessen versorgte mich Uwe mit den Abständen zu meinen Teamkollegen. Nochmal tausend Dank für deinen Support Uwe!!! Ohne dich wäre meine Zeit nicht möglich gewesen.
Katrin war inzwischen auch da und wurde auch versorgt. Für mich nochmal die zweite Toilettenpause während ich wartet, bis sie abfahrbereit war. Aber irgendwie dauerte das, so dass ich langsam losrollte, um ihr zu sagen, sie soll sich beeilen. Blick nach hinten, ok da war sie. Feuer frei den Brenner hinunter. Kurzer Blick auf den Leistungsmesser und die Frage wieso hämmerst du hier eigentlich mit deutlich mehr Watt den Berg runter als vorhin hinauf? Da kommen doch noch ein paar Berge. Also etwas rausnehmen. Wir schlossen zu Rene auf, der sich gleich mit in die Führung einklinkte. Zu dritt ging es jetzt wie im Fluge Richtung Sterzing. Unten erreichten wir eine Gruppe und konnten uns so bis zu nächsten Berg ausruhen.
Jaufenpaß (15,5 km, 1130 hm). Rein in den Anstieg und sofort suchte jeder sein Tempo. Katrin meinte zu mir, ich soll mein Tempo fahren. Also fuhr ich kontrolliert mein Tempo. Der Jaufenpaß zosich und die Sonne brannte heißer und heißer. Jede noch so kleine Schattenpassage nahm ich mit. Ich mahnte mich zum regelmäßigen Trinken. Nach etwa fünf Kilometern im Anstieg wurde es immer zäher. Die Beine wollten nicht mehr so richtig und die Hitze nervte nur noch. Mal noch ein Gel nehmen und für ein paar Minuten ging es wieder etwas besser. Aber immer wieder der Blick auf den Kilometerzähler. Gefühlt hat jeder Kilometer stundenlang gedauert. Im Kopf wechselten die Gedanken immer hin und her: „Was soll das nur an den 30 km am Timmelsjoch bei dieser Hitze werden?“, „Du bist immer noch im Zeitplan, wenn du nicht überziehst, schaffst du das problemlos.“ In welchem Zeitplan eigentlich? 10-Stunden? Ja. Aber irgendwas passt das nicht ganz. Die aktuelle Fahrzeit passte so gar nicht zur 10-Stunden-Marschtabelle. Es hat etwas gedauert, bis ich kapierte, dass ich etwa 15 Minuten vor der 9-Stunden-Zeit liege. Mir wurde bewusst, dass der Druck dadurch noch größer werden würde, aber auch, dass es noch sehr knapp gegen Ende werden würde. Denn auch das auch am Timmelsjoch durchzuhalten, würde sehr schwer werden.
Irgendwann kam dann die Passhöhe des Jaufen in Sicht. Vorher noch schnell an der Labe die Flaschen gefüllt, Cola und Wasser in mich hineingekippt und noch einen Becher Wasser über den Kopf. Rauf auf‘s Rad und mit neuer Kraft die letzten Meter zu Passhöhe. Die anschließende Abfahrt lief gefühlt, grottig schlecht. Die Straße war nicht die Beste und irgendwie stand ich in der Abfahrt neben mir. Ich wußte, wenn mir hinten raus irgendwie Zeit fehlen würde, würde der Jaufen hoch und runter die Ursache sein.
Unten in St. Leonhardt angekommen, rum um die Spitzkehre und rein in den endlos langen Anstieg zum Timmelsjoch (28,7 km, 1759 hm). Die Sonne brannte jetzt endgültig unerbittlich jenseits der 30 Grad. Die ersten fünf Kilometer liefen erstaunlich gut. Dann wurde es zäher und zäher. Die Oberschenkel schmerzten unaufhörlich, die Hitze machte mir ebenfalls zu schaffen. Ich ermahnte mich zum regelmäßigen Trinken und Essen. Immer wieder kippte ich mir Wasser über den Kopf, um etwas Kühlung zu bekommen. Auch war jede Tunneldurchfahrt eine kurze Wohltat. Auch dieser Anstieg zog sich und wollte nicht enden. Die Wattzahlen, die ich noch treten konnten, waren noch im (10-Stunden)-Plan. Nach knapp 20 km war ich endlich an der Labe Schönau. Rad abstellen, Flaschen füllen, Getränke in mich kippen und beim Aufsteigen noch schnell unterm Gartenschlauch durch und Kühlung erhaschen. Für ein paar Kilometer ging es wieder flott. Zumal es auch etwas flacher war. Aber dann standen die nächsten Rampen im Weg, noch acht Kilometer bis oben. Aber wieder mal wollte der Anstieg nicht enden. Immer wieder saßen Fahrer entkräftet am Strassenrand. Spätestens jetzt wurde es auch bei mir mehr und mehr eine Tour der Leiden. Ich überholte zwar immer ständig andere Fahrer, aber ich beschimpfte diesen Berg mehrfach laut vor mich hinmurmelnd. Dann begann es noch leicht zu regnen. Dadurch brannte die Sonne nicht mehr, dafür war es jetzt extrem schwül. Immer wieder schaute ich auf die Fahrzeit und fragte mich, wann ich endlich an der
Passhöhe sein würde. Da ich das Timmelsjoch noch nie gefahren war, konnte ich nur an den Kilometern abschätzen, wie weit es noch war. Eigentlich zu weit für die 9-Stunden-Durchgangszeit. Endlich kam dann irgendwann der Tunnel, von dem ich wusste, dass ich dann kurz vor dem Gipfel bin. Nochmal kurz in den Windschatten eines anderen Fahrers und dann war sie da, die Passhöhe Timmelsjoch. Blick auch die Uhr: Minus 30 Sekunden auf 9-Stunden und eine Abfahrt im Nassen. Schöner Mist dachte ich, das ist das was ich nicht wollte. Im Nassen mit Risiko eine unbekannte Abfahrt runter müssen. Egal, erstmal mit allem was die Beine noch hergaben die Abfahrten runter. Zum Glück ist die Abfahrt nicht besonders kompliziert. Nach jeder Kurve der Versuch nochmal voll anzutreten und rausbeschleunigen. Aber die Beine gaben die eindeutige Rückmeldung „Kollege, wir streiken!“. Dann rein in den Gegenanstieg. Ich wusste, dass er da war, aber nicht wie lang. Das
Höhenprofil am Radcomputer hatte da auch schon seinen Dienst eingestellt. Mir wurde zugerufen, dass es noch 200 Meter seinen. Da war sie dann auch die Mautstation, die die weitere Abfahrt ankündigte. Also weiter Richtung Tal stürzen. Nochmal ein paar Spitzkehren, dann die Flachstücken. 500 Meter vorn zwei Fahrer, irgendwie versuchen in den Windschatten zu kommen. Blick nach hinten? Da kommt auch keiner. Also alles was noch geht, gefühlt ging nicht mehr viel. Oder doch? Keine Ahnung. Einfach treten. Noch eine Abfahrt und noch zwei Spitzkehren. Ich hatte mittlerweile einen Fahrer eingeholt. Wir beide fuhren diese Kurven total vorsichtig und viel zu langsam. Keiner wollte sich so kurz vorm Ziel noch auf den Asphalt legen. Ich sagte mir, lieber mit 9:05h, aber heile im Ziel.
Dann endlich Ortseingang Sölden. Mein Trainer hatte mir vorher gesagt ich soll es genießen. Im Moment kein Gedanke daran, obwohl jeder Fahrer durch den Jubel der Spalier stehenden Menschen durch Sölden getragen wurde. Ich fuhr alles was ging. Keine Ahnung, wieweit es noch ist. Ein Krankenwagen gondelte gemütlich die Strasse entlang. Egal, vorbei und weiter. Ups, letzte Kurve, nicht noch ausrutschen, rum um die Kurve, letzter Antritt und über den Zielstrich.
Ein schneller Blick auf die Fahrzeit ließ mich hoffen, da stand vorn was von 8 Stunden. Mal sehen, was die offizielle Zeit sagen würde.
Dann erstmal runter vom Rad und erholen und durchatmen. Ich war total kaputt, die Beine schmerzten wie nie zuvor, aber ich war total glücklich es geschafft zu haben und dann auch noch in dieser
Zeit. Dann kam meine offizielle Zeit: 8:59:43h. Yes, doch die 9-Stunden-Marke geknackt. Wahnsinn. Die 10-Stunden hatte ich zuvor als realistisch angesehen. Die 9-Stunden-Zwischenzeiten hatte ich mir zwar auch auf die Marschtabelle geschrieben, aber diese Zeit höchstens in meinen kühnsten Träumen erwartet. Von Katrin musste ich mir dazu vorher auch schon was anhören… 😉
Ich wollte dann so schnell wie möglich aus den verschwitzten Sachen raus und bin ins Hotel duschen und mich umziehen. Schnell noch ein Blick auf die Zwischenzeit, Katrin und die anderen sollten bald ins Ziel kommen. Also die paar Meter wieder zurück in den Zielbereich, wo ich Uwe traf, der von seinem Supporteinsatz zurück war und auf uns wartete. Dann kam Katrin, voll im Zeitplan, mit einer Zeit unter 10-Stunden und glücklich ins Ziel. Alle waren happy. Wir warteten dann noch bis die anderen KunTaBunten im Ziel waren. Alle waren ziemlich geschafft, aber glücklich.
Am Abend habe ich mir das hart erkämpfte Finishertrikot abholen dürfen. Meine Fahrzeit wollte ich ursprünglich nicht darauf drucken lassen, aber bei dieser Zeit habe ich es dann doch getan.
Wir ließen diesen Wahnsinnstag dann beim Abendessen ausklingen, obwohl ich noch zu fertig war um wirklich ausreichend zu essen.
Damit war der Ötztaler Radmarathon für mich Geschichte, mein Ziel erreicht und der Traum erfüllt. Will ich nochmal? Nö, das tue ich mir nicht nochmal an (Stand: 2 Tage danach).
Was möchte ich nächstes Jahr fahren? Noch keine Ahnung (Stand: 2 Tage danach).
Was kommt als nächstes? In zwei Wochen Eddy-Merckx-Classic. Aber nicht auf Ergebnis sondern Fun. Oder besser gesagt, entscheidet Katrin wie hart oder entspannt es für mich wird. 😉
Startzeit | 6:49.09,0 |
Zielzeit | 15:48.52,6 |
Fahrzeit | 8:59.43,6 |
Durchschnitt | 26,457 km/h |
Rang Gesamt | 657. |
Rang Kategorie | 345. |
Durchgangszeiten auf der Strecke
Stelle | Tageszeit | Fahrzeit |
Rang |
Gesamt |
bis Oetz | 7:25.11,7 |
36.02,7 |
334. |
599. |
bis Kühtai | 8:46.30,9 |
1:57.21,9 |
671. |
1253. |
bis Innsbruck | 9:30.44,7 |
2:41.35,7 |
566. |
1054. |
bis Brenner | 10:47.15,6 |
3:58.06,6 |
579. |
1083. |
bis Gasteig | 11:17.31,6 |
4:28.22,6 |
567. |
1062. |
bis Jaufenpass | 12:37.51,4 |
5:48.42,4 |
506. |
947. |
bis St.Leonhard | 13:03.27,6 |
6:14.18,6 |
502. |
938. |
bis Timmelsjoch | 15:15.49,8 |
8:26.40,8 |
352. |
674. |
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