Die im Motorsport legendäre Nordschleife des Nürburgring, die “Grüne Hölle”, war Austragungsort der 9. Runde des German Cycling Cup 2012. Diesmal waren die Jedermannrennen über 25, 75 und 150 Kilometer aber nur Beiwerk. Das eigentliche Ereignis war das 24-Stunden-Radrennen auf dem Traditionskurs in der Eifel. Auch der Hallzig Express stellte ein 4-Mann-Team, welches sich der Herausforderung 24-Stunden stellte. Und letztendlich auch erfolgreich absolvierte. Mein Beitrag zu dieser Leistung war zumindest die zeitweilige Anwesenheit an der Rennstrecke und ein paar Fotos.
Aber nun zu meinem Rennen. Mitte des Jahres fiel bei mir der Entschluß auch in der Eifel an den Start zu gehen. Das Besondere daran sollte sein, dass ich als Motorsportfan die Nordschleife aus unzähligen Fernsehübertragungen kannte und mochte. Das mit dem “kennen und mögen” sollte dann aber nochmal auf eine harte Probe gestellt werden, denn Fernsehen ist Fernsehen …
Aber der Reihe nach. Nach den durchaus erfolgreichen Rennen in Bremen in der Woche zuvor, wuchs die Vorfreude auf das Rennen auf der Nordschleife mehr und mehr. Ich fieberte diesem Höhepunkt der Saison regelrecht entgegen und freute mich drauf. Nur der Blick auf die Wettervorhersage war zunächst nicht sehr erfreulich. Die gefährlichste Rennstrecke der Welt mit ihren 25 Kilometern Länge und unzähligen Anstiegen, Abfahren und Kurven wollte ich nicht unbedingt im Regen fahren. Auf das launische Eifelwetter (einstellige Tempertaturen usw. selbst im Sommer) hatte ich einfach keine Lust.
Die Anreise erfolgte bereits am Freitag. Je mehr ich mich der Eifel näherte umso schlechter wurde das Wetter. Die Wolken hingen tief über den Bergen der Eifel, es regnete ordentlich und das Thermometer zeigte gerade mal noch 13 Grad am Nachmittag! Da ich nicht im 24-Stunden-Team startete, gönnte ich mir den Luxus einer Pension einige Kilometer entfernt vom Ring. Nach dem Einchecken machte ich mich auf den Weg zum Nürburgring und holte meine Startunterlagen ab. Danach begab ich mich auf den Grand-Prix-Kurs der Rennstrecke zur den 24-Stunden-Fahrern zugedachte Parzelle für’s Zelt. Rolf und Ralf hatten bereits mit dem Aufbau begonnen. In den nächsten Stunden vollendeten wir den Zeltaufbau und die Einrichtung der “Box”. Der Regen machte zwar immermal Pausen aber es wurden immer kälter. Alle froren um die Wette. So machte ich mich gegen 22 Uhr aus dem Staub in mein warmes Hotelzimmer.
Der nächste Morgen, Samstag, empfing mich mit wolkenverhangendem Himmel, aber ohne Regen und mit deutlicher Tendenz zu einer aufreißenden Wolkendecke, aber immernoch nur 11 Grad. Ich packte vorsichtshalber mal alles an Klamotten ins Auto was ich hatte und fuhr zum Ring. Nach Begrüßung der Teamkollegen, machte ich mich und meine Rennmaschine rennfertig. Mittlerweile war überwiegend blauer Himmel zu sehn und die Sonne erwärmte die Luft deutlich. So konnte ich dann mit kurz/kurz mit Ärmlingen fahren. Start für die Jedermannrennen war 13 Uhr, das 24-Stunden-Rennen direkt danach um 13.15 Uhr. Ich durfte (genauso wie auch Teamkollegin Jenny) aus dem ersten Startblock der 75km-Runde starten . Dieser war diesmal geradezu mickrig und viel kleiner als sonst. Aber das änderte sich bereits eine Minute vor dem Start, in dem der hintere Block aufrücken durfte. 13:05 Uhr hieß es auch für uns Feuer frei und knapp 600 Fahrer und Fahrerinnen wurden losgelassen. Zunächst ging es über den Grand-Prix-Kurs zwischen den ganzen Zelten und Wohnwagen der 24-Stunden-Protagonisten hindurch. Durch den Hatzenbachbogen und den Anstieg hinauf zur NKG-Schikane. Diese durchquerte ich in den vorderen Reihen und dann ging es auch schon hinaus auf die erste von drei Runden Nordschleife. Die Runde begann mit einer rasenden und kurvigen Abfahrt u.a durch die Fuchsröhre mit immer wieder kleinen aber giftigen Gegenanstiegen. In dieser Abfahrt wurden Geschwindigkeiten von über 80 km/h erreicht, wodurch das Feld bereits auseinandergezogen wurde und sich an den Anstiegen kurzzeitig wieder zusammenschob.
Scharfrichter in jeder Runde ist der ca. 4 Kilometer lange Anstieg hinauf zur Hohen Acht. Die letzten 200 Meter verlangten mit einer Steigung bis zu 18% vom Radler einiges ab. Hier flog das Feld endgültig auseinander und auch ich konnte dem Spitzenfeld nicht mehr folgen und suchte mir mein Tempo. Hier zeigte die “Grüne Hölle” das erste Mal so richtig ihre Zähne. Ich hatte das Gefühl die Steigung wollte ich enden. Jeder kroch mit etwas mehr als Schrittgeschwindigkeit den Berg hinauf. Das Höhenprofil auf meinem Boardcomputer zeigte kein Ende. Treten, treten, treten. Gedanken à la “was tust du hier”, “und das dann noch zweimal” usw. schossen mir durch den Kopf, und die Beine brannten bereits. Irgendwann kam das “Karussell” in Sicht, welches die letzte finale Rampe (die mit den 18%) zur Hohen Acht einläutet. Irgendwie kam ich oben ab. Aber nur noch versprengte Fahrer um mich herum und eine Gruppe fand sich nicht wirklich zusammen. Aber es ging zunächst erstmal in die Abfahrt. Die Abfahrten haben mir viel Kraft und Zeit gespart, wie ich im weiteren Verlauf merkte, da ich auch ohne Aeroposition oder Treten schneller als viele andere war.
Ich versuchte Windschatten zu bekommen wo es ging und mit meinen Kräften hauszuhalten. Ständig wechselten Abfahrt und Anstieg ab. Die erste Runde näherte sich dem Ende und die lange Gerade auf der Döttinger Höhe kam in Sicht. Ich weiß nicht mehr, ob ich bei jemandem im Windschatten hing oder nicht, ich weiß nur, dass kurz vor Start/Ziel nochmal ein kurzer aber heftiger Anstieg wartet, der nochmal die Kraft aus den Beinen zog. Es erfolgte die erste Zielpassage und die erneute Fahrt über den Grand-Prix-Kurs. Vorbei am Hallzig-Lager und wieder hinaus auf die Nordschleife. Es hatte sich ein Grüppchen von fünf, sechs Fahrern um einen Merkur-Druck-Fahrer gebildet. Das sollte für die nächsten Kilometer bis zum zweiten Anstieg zu Hohen Acht für Tempo sorgen. Tat es auch und wir hämmerten, jetzt auf Grund der gewonnenen Streckenkenntnis noch etwas schneller die Abfahrten runter. Dann Begann wieder der Anstieg und schalte sofort auf mein Tempo um und ließ die anderen ziehen. Ich merkte wie die Kraft in dieser zweiten Runden bereits weniger geworden war. Aber ich fühlte mich dafür noch halbwegs gut. Da habe ich wieder gemerkt, wie wichtig es ist, bei längeren Anstiegen sofort von unten an sein Tempo zu fahren. Mein Tempo schien auch einigen anderen Fahrer zu gefallen und reihten sich hinter mir ein. Das war mir egal, ich fuhr mein Tempo. Und wenn ihnen das hilft, von mir aus, dann können sie mir später Windschatten spenden.
So kurbelte ich zum zweiten Mal an Bergwerk, Kesselchen und Karussell hinauf zur Hohen Acht. Aua, das tat weh. Jetzt machte ich mir Sorgen, ob die Kraft für ein drittes Mal reichen würde. Oben an der Verpflegungsstation war jetzt schon mehr Betrieb und ich überlegte, in der dritten Runde nachher etwas Wasser zur Kühlung des Kopfes aufzunehmen. Aber zunächst wollte Runde zwei beendet werden. Mit kontrollierte Offensive ging’s wieder zur Döttinger Höhe und das letzte Mal im Renntempo über die Grand-Prix-Strecke.
Auf zur letzten Runde. Wieder durch die rasende Abfahrt, die wie jede Runde letztendlich durch den Anstieg zur Hohen Acht gebremst wurde. Es wurde hart und härter. Bereits auf den Runden zuvor hatte ich gemerkt, dass jeder Anstieg mehr Kraft aus dem Beinen zieht. Gerade so schaffte ich es über die Kuppe. Mein Vorhaben Wasser zu fassen, ließ ich bleiben, weil an der Verpflegung die Hölle los war. Massen an Jedermännern und 24-Stunden-Fahrern drängten sich um den Nachschub. Ich manövrierte zwischen den über die Strecke laufenden Fahrern durch und stürzte mich in die Abfahrt. Ca. 100 Meter vor mir sah ich die einige Fahrer, die 75km-Runde zu denen ich im Anstieg den Kontakt verloren hatte. Das war das Ziel. Dort wollte ich wieder ranfahren. Das Problem daran war aber die mittlerweile kaum mehr vorhandene Kraft in den Beinen. In den Abfahrten holte ich auf um in den Anstiegen wieder Zeit zu verlieren. Jedesmal quetschte ich die Beine bis zum Ende aus, sogar in den Abfahrten trat ich jetzt in die Pedale. Ich schaffte den Anschluss letztendlich und versuchte im Windschatten zu bleiben.
Ich hatte schon lange die Übersicht verloren, wieviele Fahrer noch vor mir waren oder ob ich mittlerweiler einige überholt hatte. Als ich die Spitze das letzte Mal gesehen hatte, schien sie mir noch über 100 Fahrer stark. Auf der Döttinger Höhe schlief dann das Tempo der Gruppe ein und so machte ich mal vorne Tempo. Die anderen wollten dann nicht mehr führen, was mir mit einem “komm, noch bis zur Kuppe” bestätigt wurde. Aber es ging nichts mehr und auch mein Tempo ging runter. Der letzte Anstieg kurz vorm Ziel, lief dann so wie erwartet, ich konnte das Tempo nicht mitgehen und musste die Gruppe ziehen lassen. Aber ich hatte das Ziel vor Augen. Ein weiterer 75km-Fahrer überholte mich. Nach kurzer Beschleunigung klemmte ich mich ans Hinterrad. Mein letztes Ziel für dieses Rennen: Den Sprint gegen ihn zu gewinnen. Beim Überholen eines anderen Fahrers zögerte er und ich zog den Sprint an und schoß vorbei. Aber es waren noch 300 Meter zum Ziel, und kein Windschatten. Ein endlos langer Sprint und das mit kraftlosen Beinen. Ein Blick durch die Beine nach hinten bestätigte mir, dass er an meinem Hinterrad hing und so erwartete ich, dass er sich jede Sekunde vorbeischiebt und mich überspurtet. Aber scheinbar konnte auch er nicht mehr. Ziel!
Die grüne Hölle hatte von mir alles gefordert. Aber ich habe sie bezwungen. Drei Runden à 25 Kilometer mit je ca. 500 Höhenmeter auf der “härtesten und schönsten Rennstrecke der Welt” hatten nach 2:19min ihr Ende. Und es hätte keine Runde mehr sein dürfen. So weh taten mir die Beine lange nicht mehr. Ich genoß die Auslaufrunde auf der Grand-Prix-Strecke sichtlich. Egal wie das Ergebnis ausfallen würde, ich war stolz auf mich das geschafft zu haben. Viele unterwegs habe ich absteigen und den Weg in den Besenwagen gehen sehen.
Man hört ja viele Zitate und Aussagen (hauptsächlich von Motorsportlern) über die Nürburgring Nordschleife. Sie sie etwas Besonderes, habe etwas Magisches, wer einmal dort gefahren ist, kommt immer wieder oder man liebt sie und man hasst sie. Und alle Aussagen stimmen. Das habe ich am eigenen Leib erfahren. Das sind Dinge, die man nicht beschreiben kann, das muss man erlebt haben. Ich konnte mir im Vorfeld nicht vorstellen, dass eine Rennstrecke für Automobilsport wirklich so bergig sein könne. Kennt man nur die modernen, topfebenen Rennstrecken ist die Nordschleife das komplette Gegenteil. Es geht wirklich ordentlich bergauf und jede Kurve birgt ihre Tücken, Herausforderungen und Faszinationen. Auch die einmalige Zuschaueratmosphäre entlang der Nordschleife war zu erahnen. Das wurde mir aber erst nach dem Rennen bewußt. An nostalgischen Stellen des Kurses hatte sich sogar für uns Radfahrer Zuschauer eingefunden und feuerten uns an. Die meiste Unterstützung auf jeden Fall direkt auf dem Grünstreifen der Hohen Acht.
Ich bin im Rennen durch die (grüne) Höllen gegangen bzw. gefahren und es hatte alles gefordert. Aber ich kann nur jedem empfehlen, dort einmal Rad zu fahren. Es muss ja nicht das Jedermannrennen oder die 24-Stunden sein, am Sonntag gab es auch für Nicht-Rennradler und Familie die Möglichkeit die Strecke zu befahren, was regen genutzt wurde.
Für mich stand nachts im Hotel fest, du fährst am Sonntag die Strecke nochmal in Ruhe, um sie dir mal richtig anzuschauen und zu genießen. Das tat ich letztendlich auch. Zu Beginn des Rennen hatte der Streckensprecher uns mit den Worten auf die Reise geschickt: “Ihr werdet die Nordschleife lieben und ihr werdet sie hassen”. Das beschreibt das Gefühl auf der Nordschleife gefahren zu sein am besten.
Jetzt aber weiter in der Chronologie. Nach der Zieldurchfahrt tollte ich zum 24-Stunden-Hallzig-Lager und erstattete kurz Bericht bevor ich mich zur Transponderrückgabe und ins Hotel begab. Nachdem ich geduscht und mich gestärkt, ging’s zurück an die Rennstrecke. Galt es doch das 24h-Team zumindest mit Anwesenheit in der hereinbrechenden Nacht zu unterstützen. Es gab einen schönen Sonnenuntergang, die Lichter der Boxengasse und der Radler erhellten die Strecke während es dunkler und kühler wurde. Due Temperaturen näherten sich bereits wieder dem einstelligen Bereich und die wärmere Kleidung wurde bereitgelegt. Runde um Runde zogen die unzähligen Teams ihre Runden.
Zu bereits späterer Stunde kam Marco fluchend angerauscht und übergab den Staffelstab. Am Hinterrad war eine Speiche gebrochen, was ihn zu einem Stop zwang. Da bereits Rolf am Nachmittag das Hinterrad wechseln musste, war kein Ersatzhinterrad übrig. Aus einer Eingebung heraus hatte ich das Hinterrad meine Alltagslaufradsatzes mit ins Auto gepackt, was sich jetzt als goldwert herausstellte. Ich holte also das Hinterrad und es wurde an Marco’s Rad montiert. Gegen halb eins begab ich mich dann total müde in mein Hotel und sank sofort ins Bett.
Am nächsten Morgen ging’s nach ausgiebigen Frühstück wieder an die Rennstrecke. Die Kollegen lagen auch nach der Nacht noch in den Top 200 der Gesamtwertung und spulten souverän ihre Runden ab. Da ich die Runde ja auch nochmal fahren wollte, holte ich mein Rennrad und machte mich fertig. So begleitete ich dann Rolf auf der letzten Runde des Tages als moralische Unterstützung und für den Notfall. Mal fuhr ich voraus und machte Fotos und jadgte ihm wieder hinterher und versuchte ihn rein durch meine Anwesenheit anzuspornen.
Diese eine Runde konnte ich in der Tat genießen. Nicht, dass die Anstiege heute nicht so steil gewesen wären, aber ohne den Druck auf Zeit und Ergebnis zu fahren, ging das viel leichter. Das war der Punkt, wo das Gefühl “ich mag die Nordschleife” bei mir einsetzte.
Die letzten Meter der 24-Stunden rollten die vier Heroen Rolf, Marco, Stefan und Andy nebeneinander gemeinsam durch’s Ziel. Sie hatten es geschafft, auch sie haben die grüne Hölle bezwungen und haben Wind, Wetter und Dunkelheit getrotzt. Bravo Jungs!
Nachzutragen wäre noch mein Ergebnis: Platz 87 gesamt, 32. Platz in der Altersklasse Masters1
Einen weiteren äußerst lesenswerten Bericht findet ihr hier.
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