Mein diesjähriger Rennauftakt sollte die 82km-Runde der Tour d’Energie am 8.5.2011 in Göttingen werden. War ich bisher nur im flachen Land Rennen gefahren, galt es hier auch den einen oder anderen Berg zu überwinden.
Anreise
Gemeinsam mit Teamkollege Sven machte ich mich am Sonntagmorgen auf den Weg nach Göttingen. Kaum auf der Autobahn kramte Sven die Höhenprofile aller ernstzunehmenden Anstiege des Rennens heraus und analysierte deren Schwierigkeiten. Allein schon das Wort “Berg” ließ die Lust bei mir sinken. Als dann auch noch Zahlen von 10%-Steigung fielen, wollte ich nicht mehr. Obwohl ich ja schon vorher wusste, dass es dort solche Steigungen gab. Wir kamen über die fast leere Autobahn jedenfalls gut voran und rollten voll im Zeitplan gegen dreiviertel acht in Göttingen am Startbereich auf den Zietenterrassen ein. Zunächst organisierten wir die Startnummern, wo uns bereits bekannte Gesichter erwarteten. Und so ging es dann gleich zum gemeinsamen Frühstück. Während wir beim Frühstück saßen und quatschen trudelte nach und nach der Rest des Teams ein und gesellte sich zu uns.Nach dem Frühstück positionierten wir das Auto noch strategisch günstig ca. 300 Meter hinter dem Ziel. Da sich der Startbereich im oberen Teil von Göttingen befand und wir keine Lust hatten nach dem Rennen noch mehr Berge zu erklimmen.
Nach und nach machten wir uns rennfertig. Die Startnummern wurden befestigt, die Rennmaschine einen letzten Check unterzogen und so langsam rollten wir wieder den Berg hinauf zum Startbereich. Damit war auch gleich das Warmfahren erledigt. Aber noch waren es gut 45 Minuten bis zum Start. Der Rest des Teams HallzigExpress hatte sich bereits in Startblocknähe postiert und sonnte sich. Das Wetter war bereits jetzt super, fast schon zu warm. Es wurden noch einige Fotos geschossen, das eine oder andere Getränk sowie Bananen und Riegel zur Vorbereitung verputzt. Ein nochmaliges Einrollen absolvierten wir dann auf der Laufbahn der Sportanlange.
Rennen
Gegen 10:30 Uhr postieren Sven und ich uns in meinem Startblock G, der der letzte war. Marko und Oli durften von weiter vorn starten und somit hatten wir den beiden ein gutes Rennen gewünscht und einigten uns darauf uns um Ziel wiederzutreffen.
Die Sonne brannte unerbittlich und die geplante Startzeit von 10:45 Uhr verging. Aber nichts tat sich. Es war beinahe 11 Uhr und noch kein Anzeichen, dass es losgehen würde. Wie wir dann erfuhren, wurde die Startzeit kurzfristig um 15 Minuten verschoben. Das hatte man uns aber vorher nicht gesagt, so dass sich bei uns erstmal Unmut breit gemacht hatte.
Dann endlich um 11 erfolgte der Startschuss. Die Startblöcke wurden einzeln auf die Resie geschickt, weswegen wir noch ein paar Minuten warten mussten. Endlich war auch unser Block als letzter an der Reihe. Wir hatten uns gleich am Beginn des Blockes einsortiert, wollten wir ja sofort die Aufholjagd beginnen. Zunächst ging es mit Polizeieskorte neutralisiert den Berg hinunter ins Zentrum von Göttingen. Sven und ich immer direkt hinter dem Polizeimotorrad. Das Unglaubliche: bereits hier oben, wo das Rennen noch nicht freigegeben war, standen die Zuschauer zahlreich am Strassenrand und jubelten uns zu. Das gute daran, man konnte es genießen, da man ja noch entspannt war. Trotz Sonne und 21 Grad Aussentemperatur hatte ich Gänsehaut dadurch. Wahnsinn!
Nach wie vor neutralisiert ging es über die Ziellinie und weiter durch Göttingen. Der fliegende Start und damit das Ende der Neutralisation sollte nach knapp 4km an einem Kreisel erfolgen. Dieser wurde passiert und Sven fragte mich gerade, wo es denn losgeht und ob ich die Messschleifen für die Zeitmessung gesehen hätte. Ich deutete nur nach unten und meinte genau jetzt. Und los ging es. Viele der anderen bekamen die Freigabe nicht mit, da das Polizeimotorrad unverändert langsam fuhr und uns auch keine Zeichen auffielen. Egal, rein in den Unterlenker, in Formation und Tempo anziehen. Im Formationsflug, in den sich auch einige andere Leute einklinkten, flogen wir an den vor uns gestarteten vorbei. Noch lief die Gruppe gut und der Vorwärtsdrang wurde immer wieder kurzeitig durch Kurven oder langsamer Fahrende unterbrochen.
Nach und nach wurden es weniger Fahrer, die dieses Tempo mitgehen konnten. Auch bei mir machten sich erste Anzeichen breit, es zu schnell angegangen zu haben. Es ging jetzt stetig bergauf, nur leicht aber spürbar und kräfteraubend. Ich entschied etwas rauszunehmen. Zumindest sogut dies in einem Rennen eben geht. Ich fühlte mich platt und wäre am liebsten vom Rad gestiegen. Ein Blick auf den Computer verriet mir, dass wir erst bei Rennkilometer 10 waren. 10km und schon so platt? Wir sind wirklich zu schnell angegangen. Ich versuchte so gut es ging Windschatten zu bekommen. Das war aber nicht so einfach. Die Gruppen waren zersplittert, keine große Gruppe. Mehr oder weniger eine ewig langezogene Einerreihe mit Löchern. Trotzdem überholte ich nach wie vor. Sven hatte ich schon längere Zeit nicht mehr gesehen, hoffte aber dass er noch hinter mir war. Ich war zu platt um zu schauen und irgendwie nur mit meinen Gedanken beschäftigt, wie das weitergehen soll, wenn erst die Berge kamen. Zwei Mann flogen an mir vorbei. Ich entschied, mich dranzuhängen. Nix war es mit ausruhen, denn ich fuhr im Windschatten voll im Anschlag. Wenn ich jetzt reißen lasse, musst du den Rest des Rennens zuviel selber führen, da hinten keine wirklich schnellen Leute mehr sein können und alleine erreichst du nie die vorderen schnelleren Gruppen, dachte ich. Also kämpfen um das Hinterrad zu halten.
Beim Kilometer 15 war ich dann glücklicherweise wieder etwas erholter und schaute mal kurz zurück. Kein Sven mehr zu sehen. Mist, warten oder weiterfahren? Da ich nicht wußte, wie weit er zurück war, fuhr ich weiter. Dann gings um eine 90-Grad Kurve hinter der der erste ordentliche Anstieg lauerte. Hatte man zuvor nur das gleichmäßige Surren der Ketten und Ritzel vernommen, so wurden jetzt umso lautstärker die Schaltungen betätigt. Ich schaltete und suchte mir den passenden Gang und mein Tempo hinaufzukurbeln. Prompt wurde ich von einigen überholt. Aber vom Training her wußte ich, dass ich unten hinein nicht überziehen darf. Vor allem da ich die Länge des Anstiegs nich kannte. Noch eine Kurve in der ich vom Voranfahrenden eine unmotivierte Welle verpasst bekam. Nach der Kurve wurde es zu meiner “große Freude” noch steiler. Dafür waren hier aber auch ordentlich Zuschauer, die jeden einzelnen Pedalritter den Berg hochschrien. Ich hatte meinen Rythmus und es störte mich nicht, dass der eine oder andere an mir vorbeirollte. Dann war ich auch schon oben. Kurz aber heftig, es tat weh aber ich fühlte mich besser als bei km 10.
Im Nachhinein stellte ich fest, dass diese Stelle die “Meenser Mur” sein muss, von der Rennradlisten-Kollege Floeri desöfteren schlimme Dinge berichtet hatte und ich erinnerte mich an Sven’s Worte auf der Herfahrt über diese Steigung.
Anfahrt zum Bramwald
Nach der Steigung kommt die Abfahrt. Was eine Freude. Endlich mal die Beine schonen können. Sehr flott ging es die Berg hinunter. Im Moment gab es keine kompakte Gruppe sondern nur einzelne Fahrer oder Kleinstgruppen. In der Abfahrt von Vorteil was die Sicherheit betrifft. Man sieht die Kurven, hat genug Platz zum manövrieren. In der Kurve 200 Meter voraus sah ich einen Fahrer der sich gerade aus der Wiese zurück auf die Strecke kämpte und bremste deshalb gleich mal etwas mehr. Weiter flog ich die Abfahrt hinunter, immer die anderen Fahrer und evtl. Warnschilder im Blick. Es war eine Sicherheitsabfahrt denn ich wollte ja heil ins Ziel kommen.
Die Abfahrt wurde immer wieder von kurzen Gegensteigungen unterbrochen, die aber relativ einfach zu nehmen waren. Dann erblickte ich überaschenderweise Marko vor mir auftauchen. Ich grüße kurz und zog vorbei. In der nächsten Abfahrt rollte Marko wieder an mich heran. Das hatte ich mir fast gedacht, da ich wusste, dass er mit mehr Risiko abfährt. Im Tal lief dann eine ca 15 Fahrer große Gruppe zusammen. So konnten Marko und ich dann im Wesertal gemeinsam mit ein, zwei anderen Fahrer einen kleinen HallzigExpress installieren und jagten mit 40-50 Sachen durchs Wesertal. Aber es war schwierig diesen Zug länger aufrecht zu erhalten, da einige nicht wirklich führen wollten. Also verließen wir die Gruppe nach vorn mit Kollegen Mark (mit dem ich später auch durch Ziel rollen sollte). Als wir die nächste Gruppe erreichten, klinkte ich mich gleich mit an den vorderen Positionen ein und merkte schnell, dass diese Gruppe gut läuft. Das teilte ich Marko auch mit und mir beteiligten uns an der Führung. Es lief gut. Aber ein Blick auf den Tacho verriet, dass gleich der 5km lange Anstieg im Bramwald erfolgen sollte.
Bramwald
In Hemeln rechts rum und los ging’s. Marko verabschiedete sich und ich suchte mein Tempo. Der Gegenwind blies jetzt erstmalig richtig von vorn. Ich kurbelte mich den Berg hinauf und hangelte mich von Hinterrad zu Hinterrad um wenigstens etwas Windschatten abzubekommen. Als der Waldrand erreicht war, war endlich der Wind weg. Ich war nochmal einen kurzen Blick ins Tal, wo mit die gelbblühenden Rapsfelder entgegenleuchtetet. Ein Blick nach oben durch den Wald verriet mir hingegen den Streckenverlauf durch den Lindwurm an Fahrern. Ich kurbelte weiter, ohne zu wissen wie weit es noch war. Aber ich hatte ein gutes Tempo und überholte ständig. Das Fotomotorrad fuhr an mir vorbei und machte Fotos. Ich hänge mich hintendran bis der Fotograf den Fahrer anwies schneller zu fahren, weil “da einer dranhängt”. Ich grinste nur, was mir sofort den Kommentar einbrachte “der kann sogar noch Lachen”.
Am Strassenrad erhaschte ich ein Schild “2000m sommet”. Ok, also noch zwei Kilometer bis oben. Ich fühlte mich gut, kurbelte immer weiter hinauf und endlich oben ließ ich auch die Verpflegungstelle links (oder war es rechts) liegen. Rein in die Abfahrt. Dafür aber mit Gegenwind.
Anfahrt zum Hohen Hagen
In den folgenden Kilometern war leider nichts mit ausruhen. Der Gegenwind blies jetzt so richtig auf dem Hochplateau. In der kleinen Gruppe konnten oder wollten neben mir nur 2-3 andere Leute Führung machen. Es ist so frustrierend, wenn du führend im Unterlenker hängst, im Anschlag fährst und es bergab geht, der Tacho aber nur 35km/h zeigt. Dieser blöde Gegenwind. Irgendwie ging’s aber trotzdem voran, obwohl die Führungen von jedem deutlich kürzer waren.
Irgendwann in einer Ortsdurchfahrt erblickte ich dann sogar Oli. Damit hatt ich nun gar nicht gerechnet. War er ja einige Startblöcke vor mir gestartet. Auch ihn grüßte ich und begab mich wieder in die Führung. Dann ging Oli noch kurz nach vorn, schloss die Lücke zur vorderen Gruppe, die aber recht langsam war. Ich schrie ihm zu er soll gleich vorbeifahren, wenn er kann. Was er auch tat. Danach hab ich ihn dann erst im Ziel wiedergesehen. Noch ein paar Kurven und auf einmal begann der Aufstieg zum Hohen Hagen. Quasi dem Scharfrichter des Rennens. Dass es der Hohe Hagen war erkannte ich nur daran, dass am Rande der Hinweis auf einen Campingplatz stand. Dies war auch in der Streckenbeschreibung so eingezeichnet.
Hoher Hagen
Das zweite Merkmal für diesen Anstieg, war gleich zu Beginn die 10%-Rampe. Und natürlich die Zuschauer, die jeden einzelnen lautstarkt anfeuerten. Die Straßen angepinselt mit Namen und Anfeuerungssprüchen, Plakate am Strassenrand. Tour-de-France-Feeling für Jedermann. Trotz Anstrengung und Hitze wieder mal Gänsehaut und Frösteln. Es wurde etwas flacher und ich schaltete auf einen dickeren Gang. Es wurde wieder steiler und ich schaltete wieder kleiner. In der Phase habe ich ganz schön im Getriebe rumgerührt, weil sich kein Gang gut anfühlte. Das lag aber eher an den Beinen, die langsam mitteilten, was sie heut schon geleistet hatten.
Aber bei dieser klasse Zuschauerkulisse Schwäche zeigen geht nicht. Ich wurde sogar namentlich angefeuert und kurbelte weiter so gut ich konnte. Ich wollte fragen wie weit es noch bis oben ist, aber es fehlte die Luft. Zum Glück rief dies gerade einer der Zuschauer einen neben mir fahrenden zu. 250m. Ok. Dann Tempo erhöhen so gut es ging. Ich prüfte kurz, ob ich an der Verpflegung Wasser nachtanken musste. Erste Flasche leer, zweite Flasche voll, noch zwei Gels übrig, also durchfahren.
Mit äußerst gebremsten Schaum ging es in die gefährtliche Abfahrt, die dadurch nicht mehr gefährlich war. Also ich aus dem Windschutz des Waldes herauskam, blies mir sofort der Gegenwind ins Gesicht. Es sammelten sich 4 Fahrer und wir fuhren gemeinsam, um kurze Zeit später von einer ca. 25 Fahrer starken Gruppe eingeholt zu werden.
Bis ins Ziel
Wir flogen die Abfahrten hinunter. Die Tendenz bis zur Ziellinie war zum Glück bergab. Ich schob mir noch ein Gel ein, trank ausgiebig und ruhte mich im Windschatten aus. Noch waren es ca. 10km bis Göttingen und wir versuchten die Gruppe am Laufen zu halten. Aber wieder waren es nur maximal 4 Leute, die richtig führen wollten. U.a. Mark (mit dem ich schon Wesertal Führung gemacht hatte) versuchte Ordnung reinzubringen und initiierte den belgischen Kreisel. Gute Idee, aber der funktionierte nur 500m, da die Leute entweder nicht wollten oder nicht konnte. Dann schossen zwei nach vorne und forderten uns auf ne anständige Führung aufzubauen. Hätten wir ja gern gemacht, allerdings hatte sie erstmal ein Loch von 20m gerissen, was ich unter Schmerzen zufuhr. Endlich am Hinterrad durfte ich nach weiteren 100m in einem leichten Hügel in die Führung. Ich schaute durch die Beine und jetzt hatte ich das Loch gerissen. Dabei hatte ich weder angetreten, noch beschleunigt. Na toll. Erst Führung machen wollen und dann nicht hinterherkommen dachte ich mir und ließ den Rest wieder rankommen. Beim Wechsel las ich in Mark’s Gesicht ab, dass er ähnliches gedacht haben muss.
In der Folge beteiligte ich mich dann nicht mehr an der Führung und setzte mich ans Ende der Gruppe und genoß den Windschatten. Ich hatte einfach keinen Bock mehr auf diese blöden Spielchen da vorn.
Schließlich war das Rennen bisher gut gelaufen, hatte ich ja alle Teamkollegen überholt und angehängt, wenn auch unfreiwillig. Also richtete ich mich auf den Zielsprint ein. Ich hatte noch Lust es zumindest zu versuchen. Quasi als Sprintanfahrtest für die NSC. Die Gruppe flog in Göttingen ein und bog auf die Zielgerade eine, wo uns der Jubel der Massen entgegenschlug. Der Sprint der Gruppe war eröffnet. Trotz Windschatten und richtigem Gang merkte ich sofort, dass nichts mehr geht und die anderen schneller waren. Ich drückte alles was drin war und schoss nach 2:18:04h mit der Gruppe ins Ziel. Geschafft!
Am Ende wurde es für mich ein 258. Platz in der Gesamtwertung mit dem ich mehr als zufrieden bin. In Anbetracht des letzten Startblockes, war kaum mehr möglich. In der Altersklasse wurde es der 96.Platz.
Ich besorgte mir erstmal was zu trinken und gab den Transponder ab. Danach traf ich im Zielbereich den Rest des Teams, die alle heil angekommen waren. Jetzt ging es in den erholsamen Teil mit reichlich Getränken und Geplauder.
Ein Lob an die Organisatoren dieser tollen Veranstaltung. Und besonders ein Dank an die unendliche Unterstützung der vielen Fans uns Zuschauer entlang der Strecke. Es ist unglaublich mit welch einer Begeisterung ihr jeden von uns abgefeuert habt. Danke, Danke, Danke !!!
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