Andre Den Bericht zum Jedermann-Einzelzeitfahren in Schmölln möchte ich mit einem Satz beginnen, der an ein Zitat von Erik Zabel angelehnt ist: “34er Schnitt. Weißte wie schlecht das ist?!”

Der Gelegenheitsradler wird jetzt sicher den Kopf schütteln und von diesen Geschwindigkeiten nur träumen. Zumal der Schnitt von 34.4 km/h auf dem anspruchsvollen, weil äußert hügeligen 18.7 Kilometer langem Zeitfahrkurs vor den Toren Schmöllns von mir gefahren wurde. Als geübter Rennradler weiß man hingegen, dass damit bei weitem nichts zu gewinnen ist. Ein Sieg meinerseits bei solch einem Event stand aber auch nie zur Debatte.Das ursprüngliche Ziel bei der Anmeldung im Frühjahr war ein deutliche Verbesserung der Zeit des Vorjahres (32.20 min) auf unter 30 Minuten. Dieses Ziel konnte ich letztendlich nicht erreichen, was ich eindeutig einem Formtief und daraus mangelnden konstruktiven Trainingseinheiten seit den Neuseenclassics zuschreibe. Wodurch dieses Tief zustande kam, kann ich nur erahnen und tippe auf eine verschleppte Erkältung. Mit diesem Wissen musste ich kurz vor dem Zeitfahren meine Ziele zurückschrauben und wollte einfach nur unter 35 Minuten fahren.

Bis wenige Tage vor diesem Zeitfahren hoffte ich noch auf Meldungen von weiteren Hallzigern sich dem Kampf gegen die Uhr zu stellen. Zunächst vergebens und so stellte ich mich schon darauf ein, allein die Farben des Hallzig Express hochzuhalten. Umso freudiger war die Überraschung am Vorabend, ich war schon auf dem Weg ins Bett, als mich der Anruf von Andy erreichte und er mir mitteilte, dass er und seine Familie zum Anfeuern mit nach Schmölln käme. Und wenn er dann schonmal da war, er auch gleich mitfahren würde. So verabredeten wir uns für den Morgen zur gemeinsamen Anfahrt.

Renntag: Kurz vor neun Uhr in Schmölln eintreffend meldeten wir uns in den Katakomben des Rathauses an und erhielten unsere Startnummern. Kurz darauf rollte zu Hallzig-Kollege Lothar auf uns zu, begrüßte uns und verkündete, dass er sich ebenfalls dem Kampf gegen die Uhr, die Berge und dem käftig wehendem Nordwestwind stellen werden. Da waren es schon drei.
Der Aushang mit den Startzeiten ließ noch auf sich warten, die Sonne kämpfte mit den Wolken und es war ganz schön frisch. Endlich wurden die Startzeiten bekannt gegeben und wir konnten das Warmfahren in Angriff nehmen. Unter Vermeidung jeglicher Anstiegen und in Formation ging’s an das Aufwärmen, was bei Temperaturen um schätzungsweise 16 Grad auch sehr nötig war. Ich grübelte währenddessen, ob ich das Zeitfahren mit Beinlingen und Windweste bestreiten sollte oder nicht. Langarmtrikot war sowieso fix. Ich entschied mich dann kurz vor dem Start Beinlinge und Weste abzulegen, was letztendlich die richtige Entscheidung war.

11:00 Uhr. Der erste Starter geht auf die Zeitfahrstrecke. 11:14 Uhr rauscht Lothar als erster Hallziger vom Schmöllner Markt. 11:26:30 Uhr ist meine Startzeit. Vor mir darf sich noch jemand durchdrängeln der seine Startzeit verpasst. So wirds alles etwas hecktisch, aber dann werden auch ich losgelassen. Ich will die erste Kurve möglichst optimal nehmen und sehe eine Minibordkante, die so gar nicht in meine geplante Fahrlinie für die erste Kurve passt, zu spät. Also bin ich mehr mit Aussteuern beschäftigt als mit korrektem Anbremsen der Kurve. Ergebnis: ich bin zu schnell und weit ab einer Ideallinie. Aber immerhin bleibt mir die Schande erspart mich nach 50 Metern auf dem Schmöllner Markt langzumachen oder mich in die Absperrung wiederzufinden.
Die erstem Meter sind Kopfsteinpflaster und ich kommen langsam ins Rollen. Dann wartet bereits der erste Anstieg, den ich letztes Jahr zu schnell angegangen bin. 20 Meter vor mir arbeitet sich der vor mir gestartet den Berg hinauf. Ich rufe mich zur Ordnung und nehme etwas raus und fahren meinen Rhythmus. Oben bin ich dann doch an ihm vorbei, lege den dicken Gang auf und lege mich auf den Zeitfahraufsatz und werfe mich in die Abfahrt nur um kurz darauf gleich im nächsten Anstieg zu sein. 100 Meter vor mir der nächste. Ich nehme mir vor mich an ihm zu orientieren und mich, unter Einteilung meiner Kräfte, langsam heranzuarbeiten.
Die kurvigen Ortsdurchfahrten von Nitzschka und Kummer sind kein Problem und werden nur durch den heftigen Gegenwind auf den ebenen Abschnitt unterbrochen. Es geht in die Abfahrt, das Schild am Streckenrad verkündet noch 10 Kilometer und ich merke, dass die Kraft in den Beinen mehr und mehr schwindet. Genau das Problem, was ich die letzten Wochen bei jeder Trainingseinheit bemerkte. Aufgeben gilt nicht, also weiter reintreten so gut es geht. Leichter gesagt als getan im immernoch anhaltenden Gegenwind. Mittlerweile bin ich längst vom ersten Fahrer überholt worden und der nächste kündigt sich kurz vor Weißbach an.

Direkt nach Weißbach warten einige giftige Anstiege, dazu der Gegenwind und vier Fahrer vor mir. Derjenige der mich soeben überholt halt, dann derjenige an dem ich mich orientieren wollte, an den ich aber immernoch nicht näher herangekommen bin und zwei Fahrer auf dich ich mal aufhole. Ganz links fahrend, hoffe ich auf etwas Windschatten durch die Maisfelder entlang der Strasse. Diese tun mir aber den Gefallen nicht und so gehts um die Kurve am Ortseingang Selka und hinein in die Abfahrt. Endlich Beine etwas ausruhen und trotzdem Tempo machen, jetzt mit Rückenwindunterstützung. Doch die Freude wärt nicht lange, weiß ich ja was gleich kommen soll. Der finale Anstieg in Sommeritz. Über 10%-steil und ich weiß, dass in meinen Beinen keine Kraft mehr dafür ist. Noch drei Kurven, noch zwei, noch eine. In der Ebene nochmal kurz beschleunigen und dann wieder runterschalten und für den Anstieg bereitmachen, rum um dir Kurve und hoch da. Einige Zuschauer feuern mich an. Eine am Strassenrand stehende Grupper Rennradler gibt ihr fachmännisches Urteil, was für meine Person da lautet: “Guter, runder Tritt. Sattel ist zu tief!” Mir schießt kurz durch den Kopf: “Jetzt, wo er das sagt, könnte er Recht haben.” Danach explodieren meine Beine und stellen ihren Dienst regelrecht ein. Ich beginne im Getriebe zu rühren, um einen Gang zu finden, der mich die letzten 150 Meter des Anstiegs bezwingen lässt. Der Ohnmacht nahe komme ich oben an und nehme wieder Fahrt auf. Noch einige hundert Meter und dann gehts nur noch bergab bis ins Ziel.

Vor der Kurve vor der Abfahrt laufe ich auf einen Fahrer auf und fluche schon innerlich, dass er mir genau in der Kurve im Weg sein wird. Aber der äußerst umsichtige Zeitgenosse nimmt die Aussenbahn und überlässt mir die Ideallinie. Ich werfe den dicksten Gang auf den ich zur Verfügung habe (52:11) und schmeiße mich auf den Zeitfahraufsatz und trete wie ein bekloppter. Ach wie schön, jetzt mal wieder Gegenwind. Wenigstens gehts bergab. Ein kurzer Blick auf die Uhr verrät mir ein Zeit von 31 Minuten und Tempo jenseits der 50 und es wird noch etwas schneller. Mit mehr als 60 Sachen hämmere ich in die Häuserschluchten vom Schmölln und bremse die letzten beiden Kurven zur Anfahrt zum Ziel auf dem Markt an. Rum um die letzte Kurve, rauf aufs Kopfsteinplaster, nochmal schalten und Endspurt. Ich schieße über den Zielstrich und rolle anschließend erstmal Erholung suchend durch die einsamen Gassen von Schmölln. Kurz darauf finde ich mich bei den Anderen auf dem Markt ein.

Eigentlich bin ich im Eimer, aber die Erholung geht dieses Mal besser. Gemeinsam mit Lothar, Andy’s Familie und meinen Eltern warte ich auf die Zieldurchfahrt von Andy, der ein paar Minuten später ebenfalls übers Ziel schießt und kurz vorher noch einer vom Winde verwehten Streckenbegrenzung ausweichen muss. Anschließend erfolgt der obligatorische Erlebnisaustausch und das Warten auf die Ergebnislisten. Irgendwann gibts dann die Ergebnisse. Ich bin 32:23 min (Platz 40 gesamt) drei Sekunden langsamer als im Vorjahr, aber positiv überrascht zumindest diese Zeit bestätigt zu haben. Heißt aber auch, dass mein ursprüngliches Ziel bei normaler Form durchaus realistisch gewesen wäre. Zufrieden bin ich aber dann doch.

Als Unterstützung an der Strecke waren ausserdem noch Ulrike und Andy (AKing). Mit ihnen und den anderen wurde abschließend noch etwas geplauscht und es gab noch einige Köstlichkeiten vom Grill bevor sich alle schleunigst auf dem Heimweg machten. Schließlich wartet dort die Übertragung des entscheidenden Einzelzeitfahrens der Tour de France. Zwar sollte hier in Schmölln anschliessend ja noch das Zeitfahren der Profifrauen bei der Thüringenrundfahrt stattfinden, aber heute mussten die Mädels mal auf uns verzichten. Sorry, Mädels!

Das Wetter hat am heutigen Tag zum Glück gehalten und es war wieder ein gelungenes Event. Kurz, hart aber trotzdem wieder Klasse. Für nächstes Jahr wünsche ich mir eine bessere Beteiligung seitens weiterer Hallziger.

Daten zum Zeitfahren: